Westsahara
Morgens fahren wir dann an eine Thermalquelle in der Nähe von Goulimine.
Am Morgen kommt der erste Mohammed mit einem zweiten Mohammed und holt sein Erstandenes ab. Wir haben uns am Vortag bei einem Schmied Sandleitern bestellt, die wir als Unterlage auf dem losen Wüstensand in der Sahara nutzen wollen. Diese holen Jäkel und ich ab und fahren mit den anderen im Konvoi in ein Dorf in der Nähe von Goulimine. Hier verbringen wir 2 Tage und relaxen etwas in dem Dorf. Der Hanomag fährt schon vor, um etwas Vorsprung zu bekommen. Danach verlässt uns auch Sten, um einen anderen Teil des Landes zu erkunden. Er hat es echt geschafft, 10 Tage lang auf dem Beifahrersitz zu schlafen, weil er kein Zelt mit hatte, und fand das noch akzeptabel. Respekt!! Ihn setzen wir am Morgen des 1.März in Goulimine in ein Grand Taxi nach Sidi Ifni.
Hinter Goulmine haben wir das erste Mal das Gefühl, in die Wüste zu fahren.
Zwar sind die bewässerten Felder links und rechts von der Strasse hier noch sehr grün zu dieser Jahreszeit, aber die Besiedlung wird rapide dünner. Die Hügelketten am Horizont sind trocken und es wachsen nur noch kleine Büsche und Sträucher darauf. Auf der Straße ist nicht viel Verkehr. Es vergehen oft mehrere Minuten, bis uns das nächste Auto entgegenkommt, obwohl dies die einzige ausgebaute Route in Marokkos Süden ist und die Westsahara mit dem Rest des Landes verbindet. Nun ist es so heiß tagsüber, dass sich die Wärme hält und ich nachts wahrscheinlich nicht mehr frieren werde. Mit Queens of the Stoneage fahren wir Tan Tan entgegen. Da man so weit im Süden kaum noch Orte hat, haben selbst solche kleinen, eintönigen und nichts sagenden Orte wie Tan Tan eine Bedeutung, vielleicht sogar etwas würdevolles als letzte Vorposten der Zivilisation in der Wüste. Die Architektur der südmarokkanischen Häuser hier ist nicht gerade variationsreich. Alles 1- bis 2-stöckige, viereckige und mit Lehmfarbe verputze Behausungen. Neubaustil in der Wüste. Mit seinen 2 Kamelen am Ortseingang stellt dieses Städtchen symbolisch das Tor zur Wüste dar.
Immer auf der Jagd nach guter Musik, stöbern wir noch einen Musikladen am Straßenrand durch. Ich entscheide mich für ein Kassette mit algerischer Rapmusik und eine Darbouka-CD. Unser Vorrat an CDs und Kassetten sollte für lange, unabwechslungsreiche Fahrten ausreichen, sofern Jäkels MP3-Player das mitmacht. Hinter Tan Tan beginnt die steuerfreie Zone Marokkos und der Treibstoff kostet ab hier weitaus weniger als im Rest des Landes. An der nächsten Tanke füllen wir unsere Vorräte wieder auf. Der Liter Diesel kostet hier nur noch 29 Cent, da kann man schon ein wenig kleckern beim tanken. Wir haben es mit unseren Vorräten wirklich von Melilla bis nach Tan Tan, also von einer Billigzone bis in die nächste, geschafft. Nach unseren guten Umsätzen in Tarhazoute und dem billigen Diesel haben wir jetzt mehr Geld als bei unserer Abfahrt in der Tasche. Uns begleiten im Kilometerabstand Reste von verunfallten Trucks oder zumindest deren Ladungen an der Straße. So kommt es vor, dass ein großer Berg Fische oder kaputter Coca Cola Flaschen mitten in der Wüste liegt. Alle Teile von diesen oft bis zum letzten ausgebrannten Trucks und Bussen werden akribisch untersucht und alles verwendbare abgeschweißt. Bis auf die letzte Mutter oder Schraube.
Hinter Tan Tan Plage erreichen wir einen sehr schönen Teil der Route. Die Straße führt hier sehr dicht an das Meer heran. Manchmal sind es nur einige Meter rechts vom Weg, die uns von der Klippe trennen. Die Küste fällt steil ins Wasser und wird wahrscheinlich vom Meer Stück für Stück abgefressen. Die seltenen Behausungen am Wegesrand sind kleine angeranzte Fischerhüttchen aus Pappe. Hin und wieder sehen wir ihre Bewohner mitten im Nowhere mit Angelequipment neben der Straße laufen. Auf der linken Seite von uns befindet sich der Rand der Sahara. Die Wüste breitet sich unendlich bis zum Horizont aus. Steine, Sand und allenfalls kleine Büsche. Alles staubtrocken. Über die Straße führen an manchen Stellen Sandverwehungen, denen man ausweichen muss, was bei solch einer leeren Straße nicht schwer ist. Für die Räumung sehen wir große Räumfahrzeuge, die auch in den Alpen für den Schneeabtransport zuständig sein könnten. Diese schöne, wirklich großartige Eintönigkeit wird durch einige Flussdeltas unterbrochen. Eigentlich dachten wir, in den Deltas einige Flamingos zu sehen, aber leider sind wir dafür zu spät. Die Tiere sind schon wieder weg. Dennoch finden wir diese Flussmündungen sehr eindrucksvoll und halten bei fast jeder an. Die Straßen führen hier meist steil durch enge Röhren von ihrem Plateau bis auf Meereshöhe herunter. Rechts von uns schlagen die Ozeanwellen auf die angehäuften Dünnen in den Mündungen. Hier trifft die Wüste unmittelbar auf das Meer.
Die nächste Abwechslung wird Laayoune, die Verwaltungshauptstadt der Westsahara, sein. Am Polizeiposten vor der Stadt treffen wir den zebrafarbenen Hanomag von Micha, Tanja und Anton. Ihren Vorsprung haben wir an einem halben Tag eingeholt. Wegen Anton können sie erstens auch nicht den ganzen Tag wie wir fahren, außerdem liegt das durchschnittliche Tempo um die 60 km/h, was dann wieder am Truck selbst und nicht an Anton liegt. Und auf die müssen sie erst einmal kommen. Ansonsten haben die drei sich ein schön gemütliches Wohnzimmer auf die Ladefläche geschnallt. Sicher weitaus mehr Luxus, als wir bieten können. In Laayoune trennen sich wieder unsere Wege für ein paar Stunden, da Jäkel und ich noch ein Hühnchen essen und die letzten Reserven für die nächsten Tage einkaufen wollen. Die nächste Stadt mit Einkaufsmöglichkeiten, die wir ansteuern wollen, ist 1000 Kilometer weiter in Mauretanien. Abends finden wir den Hanomag an einer schönen Stelle an der Küste. Hier werden wir wieder vereint die Nacht verbringen.
Am nächsten Tag verabschieden wir uns und Micha beschreibt uns die "Piste", die hinter der mauretanischen Grenze beginnt. Wir verabreden uns in Nouadhibou in Mauretanien für die nächsten Tage. An diesem Tag geht es immer nur vorwärts. Wir wollen bis hinter Dakhla kommen. Die Landschaft hat sich nicht weiter verändert, außer dass nun ein Wind dazu gekommen ist, der den ganzen Sand aus der Wüste aufwirbelt. Alles ist in einen einheitlichen lehmfarbenen Ton gehüllt, selbst die Sonne am Himmel ist nicht mehr richtig zu erkennen. Sogar die Kamele heben sich nun noch weniger vom den umliegenden Farbresten ab. Es ist alles sehr gespenstisch und wir kommen uns wie in einer abgeschlossenen Glocke vor. Da die Hügel an den Seiten oft nur noch schemenhaft zu erkennen sind und um uns sich nichts anderes als das graue Band der Straße befindet, haben wir das Gefühl, in einer trostlosen Mondlandschaft zu sein. In unregelmäßigen Abstanden kommen wir an Siedlungsprojekten der Marokkaner vorbei, durch die sie die Westsahara mit eigentlich fremden Marokkanern besiedeln möchten. Wir können uns gut vorstellen, dass diese Wüste hier ähnlich wie lange Dunkelheit eine sehr depressive Wirkung haben kann. Bis zum Abend schaffen wir es, dank der neu ausgebauten, meist zweispurigen Straße, bis 100 Kilometer vor die mauretanische Grenze. Leider war das Huhn gestern in Laayoune etwas schlecht, weswegen es mir heute dementsprechend geht.
Am Morgen hält uns in diesem Nichts südlich von Dakhla nicht mehr viel. Wir erreichen Mauretanien nach einer sehr abenteuerlichen Fahrt.
Wir wollen nach Mauretanien. Gegen Mittag erreichen wir die Grenze. Die "armen" Grenzer hier bekommen sicher nicht wenig Geld, wenn sie in dieser Einöde stehen und die Weiterreisenden durchsuchen. Wir können uns eigentlich nicht beklagen. Es sind zwar viele Papiere zu besorgen, aber die bekommen wir freundlich und problemlos. Zwischendurch ein kurzes Schwätzchen in Französisch und Englisch und dann geht es weiter. Leider bemerken die Beamten am nächsten Posten 7 Kilometer weiter, dass wir einen Stempel vergessen haben und schicken uns zurück. Nach einer kürzeren Diskussion bekommen wir auch an der richtigen Stelle den Ausreisestempel in den Pass gedrückt, nachdem wir die Beamten geweckt haben. Wieder am letzten Posten wird uns der Stacheldraht aus Marokko heraus geöffnet und wir fahren auf das Niemandsland in Richtung Mauretanien. Mit dem Stacheldraht hört auch die geteerte Straße auf. Vor uns liegen einige Pisten in unterschiedliche Richtungen.
Der Zustand jeder Piste lässt sich kurz mit scheiße beschreiben. Stein- und Felsgeröll, loser Sand und tiefe Löcher bilden solch eine Piste. Wir fahren ganz vorsichtig, so wie wir es die ganze Zeit getan haben. Um uns herum ist niemand. Sogar das einzige Zeichen von Zivilisation, die Straße, hat uns verlassen. Es dauert nicht lange bis wir das erste Mal an ein Sandfeld kommen. Durch den geringen Schwung schaffen wir es nur einige Meter durch dieses Feld bis wir stecken bleiben. Dies wird das erste von unzähligen Malen sein. Also holen wir unsere in Marokko speziell angefertigten Sandleitern vom Dach und fangen an zu graben. Mühsam schaffen wir es einen Meter, aber die Vanette gräbt sich dabei auch immer tiefer ein. Dass eine "Piste" so aussieht, hat uns Micha dann doch nicht gesagt oder wir haben seine Erklärung anders aufgefasst. Zum Glück kommen uns nach einigen Minuten zwei Mauretanier zu Hilfe, die zufällig aus dem Nichts aufkreuzen. Zusammen graben wir das Auto wieder aus und kommen Stück für Stück vorwärts. Leiter einbuddeln, Gas geben, schieben, die Leiter wieder finden, ausbuddeln und diese wieder vor dem Rad eingraben. Nach einer Stunde sind wir aus dem Sandfeld wieder raus und stehen auf den Resten der alten spanischen Teerstraße, die uns mehr als Wegweiser denn als Fahrunterlage dient. Die beiden Mauren wollen eine Fischdose und ein paar Zigaretten haben und die bekommen sie natürlich auch. Mich verwundert, dass sie ein Handy in der Hand haben. An einen Empfang für Handys in dieser trostlosen Mondlandlandschaft hätte ich absolut nicht gedacht und vielleicht gibt es den hier auch nicht.
Wir wollen ab nun sehr vorsichtig sein und vor jedem Sand, wenn überhaupt noch einer kommen sollte, schön viel Gas geben. Leider kommt einige Hundert Meter weiter das nächste Sandfeld, in dem wir prompt wieder stecken blieben. Wie oft wir an diesem Tag stecken geblieben sind und uns wieder ausbuddeln mussten, weiß ich heute nicht mehr. Auf jeden Fall war es mehr als genug und ich denke, wir waren verdammt verzweifelt: wir das erste Mal und das noch allein in der Wüste und auf einem Grenzstreifen, der mit Minen versehen ist. Weil diese Minen überall verteilt sind, wollten wir keine Autospur im Sand vor uns verlassen. Zum Schlafen hätten wir also auf den ausgefahrenen Spuren stehen bleiben müssen, was wiederum ein Risiko für nachfolgende Autos sein kann. Das sind unsere Gedanken und Sorgen in dem Moment. Außerdem haben wir keine Ahnung, wie weit Nouadhibou entfernt ist. Einige Stunden haben wir sicherlich gebraucht, um an den ersten mauretanischen Grenzposten zu kommen.
Der Grenzposten ist lediglich ein einfacher Steinhaufen. In dem Steinhaufen hängen vergammelte Stücken Fleisch und alte Müllreste in der Ecke. Die "Beamten" liegen auf verschimmelten Matratzen und schlürften ihren Tee. Welcome to Mauretania- hier werden unsere Vorstellungen voll bestätigt. Eigentlich wären wir an dem Steinhaufen glatt vorbeigefahren, wenn nicht jemand mit winkenden Armen daraus gekommen wäre. Nach der Abfertigung geht die Piste durch den alten aufgeschütteten Sandwall, durch den man seit einiger Zeit problemlos durchfahren kann. Dies ist wahrscheinlich noch ein altes Relikt aus der Zeit, in der man nach Mauretanien nicht ohne Probleme einreisen konnte. Dies ist allerdings erst 10 Jahre her. Selbst zwischen diesen beiden mauretanischen Grenzposten haben wir uns in einem Sandfeld festgefahren. Hier sieht man neben der Piste einen ausgebrannten Jeep, der vor wenigen Jahren auf eine Mine gefahren ist, und wir sind wieder an die tickenden Bomben um uns erinnert. Die beiden letzten Posten lassen sich viel Zeit, knöpfen uns 20 Euro für nichts ab; trotzdem kommen wir noch glimpflich davon. Hier sind manche Reisende schon einige Hundert Euro losgeworden. Den weiteren Teil der Strecke nach Nouadhibou quälen wir uns Meter für Meter vorwärts ohne wirklich einen Plan von der Richtung und vom Fahren in der Wüste zu haben. So brauchen wir sicherlich 5 Stunden für die ersten 10 Kilometer und 40 Kilometer sollen es in irgendeine Richtung sein. Wir sehen uns schon auf dem Grenzstreifen übernachten.
Als wir wieder in einem Loch stecken, erreichen uns 2 französische und ein holländisches Auto. Die Insassen erklären uns erst einmal das Ein-mal-Eins des Wüstenfahrens und helfen uns aus dem Sandloch. Nachdem wir nun kaum noch Luft auf den Reifen haben sollen und wirklich Vollgas bei jeder Gelegenheit geben sollen, bleiben wir nur noch einmal stecken. Wir heizen der Gruppe hinterher. Oft fliegen alle Dinge vom Armaturenbrett nach hinten und zurück. Jäkel kennt kein Schmerz und jagt unsere gute Vanette durch die Wüste. Wir waren sehr vorsichtig mit dem Auto bis jetzt, geben solche Maßnahmen nun aber völlig auf. Wir sind eigentlich erstaunt, was ein Auto trotz den Sprüngen und dem Krachen aushalten kann. In 2 Stunden schaffen wir die letzten 30 Kilometer bis zur Bahnstrecke des "Eisenzugs", die überqueren wir und erreichen einen letzten Kontrollpunkt vor der zweitgrößten Stadt des Landes noch vor dem Dunkelwerden. Plötzlich taucht links von uns ein Teerstraße auf. Bis zu diesem Tag hatten wir gedacht, solche Straßen gibt es überall auf der Welt und viel schlechter konnte es nicht werden. Nun wissen wir diesen Teer richtig zu schätzen und freuen uns auf die ersten Zeichen von Zivilisation.
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