Ägypten Reisetagebuch von 1986



Dieser Reisebericht wurde freundlicherweise von Dr. Peter Kiefer zur Verfügung gestellt.

Mahlzeit. (Berlin – Budapest, 11. Juli)

Es beginnt mit einer großen Rennerei und der Busfahrer, der uns nach Schönefeld bringen soll, schimpft an der Haltestelle auf die, die (wie wir) zu spät eintreffen. Wir kriegen nur noch einen Platz im hinteren Teil zwischen aufgetürmten Gepäckstücken. Dann die Fahrt, die eine geschlagene Stunde dauert. Gepäck-, Pass- und Zollkontrolle nehmen noch einmal die gleiche Zeit in Anspruch.

Hungrig geworden mache ich mich in der Abflughalle übers Büffet der Cafeteria her, ein großer Fehler, wie sich bald herausstellen wird. Weil nämlich der Flug zwei Stunden Verspätung hat, spendiert die Fluggesellschaft ihrerseits heiße Würstchen plus ein Getränk, aber das schaffe ich noch ohne Mühe.

Derweil ziehen rabenschwarze Wolken auf. Es beginnt zu regnen. In unserem Rücken, nicht sichtbar, scheint die Sonne und die Flugzeuge da draußen fangen ihre Strahlen auf und glänzen metallisch weiß vor einem grauschwarzen Hintergrund. Über sie hinweg spannt sich ein gewaltiger Regenbogen. Die Leute drängeln sich staunend vor den großen Fenstern.

In der Maschine haben wir uns dank meines Eifers ("Nicht in der Raucherzone, nicht über den Flügeln!") die beiden schlechtesten Plätze eingehandelt, ganz hinten die. Zum Glück finden wir einige Reihen weiter vorne noch zwei bessere, die frei geblieben waren. Bald nach dem Start wird ein erstes üppiges Mahl serviert, dieses Mal mit ungarischem Wein.

Budapest ist ein dunkler Fleck. Nur die Lichter der Landebahn sind zu sehen. Wir werden durch die Gänge eines nagelneuen Flughafens hinaus zur Rollbahn gelotst, um das persönliche Gepäck für den Weiterflug zu identifizieren. Das Mahl, das anschließend in der Maschine serviert wird (ein weiteres Gläschen Ungarnwein dazu), ist genauso üppig wie das davor und wir hängen pappsatt in unseren Sesseln.

Ein Ägypter, der nebenan sitzt, erzählt uns einiges Wissenswerte über sein Land. Klar ist freilich, dass, sollten wir uns zu gegebener Zeit daran erinnern, jeder es anders in Erinnerung haben wird.

Schmachtverse (Budapest –Kairo) 

Eine kurze Zwischenlandung in Larnaca auf Zypern. Beleuchtete Schiffe und der dunkle Glanz des Meeres. Um zwei Uhr morgens – da sind wir bereits zwölf Stunden unterwegs – beginnt die letzte Etappe des Flugs – mit einer kräftigen Bordmahlzeit. Dieses Mal lassen wir das meiste davon in unserer Tasche verschwinden. Eine Stunde später schon landen wir in Kairo.

Eine Halle, ein kleiner Schalter mit der Passkontrolle, eine lange Schlange davor. Seitlich weitere Schalterkabinen, über jeder das Schildchen einer Bank von wegen Zwangsumtausch. Trotz eines kleinen Täuschungsmanövers entgehen wir ihm nicht. Das Problem ist, wie viel 300 D-Mark umgerechnet in US-Dollar sind, die dann für einen mäßigen Kurs in ägyptische Pfund umgetauscht werden. Karins blonde Haare, ergänzt um ein Lächeln, bringen die Lösung. Der ohnehin rechenschwache Banker gerät nun ganz aus dem Konzept und die Sache endet mit erkennbaren Vorteilen zu unseren Gunsten.

Der Passkontrolleur lässt es sich wiederum nicht nehmen uns ein paar Brocken Arabisch beizubringen und erst nachdem wir gelernt haben, was "Allah ist groß" heißt, dürfen wir passieren. Der anschließende Zoll ist um die frühe Stunde noch gnädig. Zehn Schritte weiter beginnt die Kairoer Nacht.

Wir wollen uns bis zum Anbruch des Tages noch ein stilles Plätzchen suchen. Ein freundlicher Mensch bringt uns zu einer Cafeteria, die zwei Gebäude weiter mit ein paar leeren Tischen ein nächtlich-ödes Dasein fristet. Osama ist beim Ministerium für Tourismus angestellt, sagt er. Immerhin, seine Informationen klingen solide. Ein paar seiner Kollegen, die Nachtschicht wohl, gesellen sich bald mit an unseren Tisch und wir verbringen die folgende Stunde mit allerhand Fragen und Antworten.

Nachdem es dann hell geworden ist, fahren wir mit dem Bus in die Stadt, Osama spendiert uns das Billet. Bald sind wir vom lärmenden Kairo umgeben und steigen am Platz mit dem riesigen Ramses-Standbild aus. Mit Osama (jetzt doch bloß noch Schlepper) schlängeln wir uns durchs Chaos der Fuhrwerke, Autos, Busse und Lastwagen. Das Hotel, in das er uns bringt, ist in unserem Budget nicht vorgesehen. Wir wollen uns nach einem anderen umtun und Osama, der unsere Ausdauer ein wenig unterschätzt hat, bricht seine Expedition nach ein paar weiteren Straßenzügen resigniert ab.

Und dann ein geradezu unglaublicher Zufall. Aus unserem Reiseführer haben wir eine spezielle Hoteladresse herausgefischt, fragen den nächst besten Passanten auf der Straße nach dem Weg und er sagt, er sei der Manager des von uns gesuchten Plaza Hotels! Er ist es wirklich.

Gerade ist er mit den Frühstücksbrötchen dorthin unterwegs. Wir folgen ihm und erhalten ein geräumiges Zimmer. Es hat sogar einen Balkon und es kostet nicht viel. Um in das achte Stockwerk hinaufzugelangen, besteigt man – es sei denn man läuft gerne und wäre dann auf der sicheren Seite – einen Lift, einen uralten Drahtkäfig, der nur mit Hilfe einiger Tricks und in einem Tempo, das nervenaufreibend, weil unendlich langsam ist, zu seinem Ziel gelangt. Von droben blickt man auf schuttbeladene Flachdächer weiterer Hochhäuser, wo sich Hühner, Gänse und Kaninchen tummeln; ihre Laute vermischen sich mit dem Dauerton der Autohupen.

Wir sind ebenso erschöpft wie unternehmungslustig. Schon nach zwei Stunden Halbschlaf zieht es uns zum Nil. Zum Tahrir-Platz ist es nicht weit. Dort laufen alle wichtigen Straßen zusammen, entsprechend groß ist das Gedränge. Hinzu kommt derzeit, dass dort die Schächte für eine neue U-Bahn ausgehoben werden, was die Anarchie (wenn überhaupt möglich) noch anheizt. Über eine der großen Nilbrücken gelangt man zur Insel Gezira.

In so genannten Andalusischen Gärten kann man für ein paar Piaster bummeln gehen. Sämtliche Lauben sind von Liebespaaren bevölkert, es ist ganz amüsant dies in Kairo zu erleben. Als wir eine Cola trinken, spricht uns der jugendliche Wirt an und beklagt seine unerfüllte Sehnsucht nach europäischen Frauen. Gedichte schreibe er auch. Wir sollten ihm unbedingt ein paar europäische Mädchen "schicken"; das versprechen wir ihm mehr heiß als aufrichtig. Karins Anblick wird ihm jedenfalls in nächster Zeit manchen wehmütigen Vers entlocken.

Ein wenig später ein kleines, nach Weihrauch duftendes Restaurant. Wir essen unser erstes Foul mit Fleisch und Gemüse. Ehe wir am Nachmittag wieder unser Hotel erreichen, schleppt uns jemand in einen Laden mit Duftessenzen. Der Inhaber zeigt uns Fotos von der Bundesgartenschau, die er in Berlin besucht hat. Er spricht ein wenig Deutsch, kann es aber nicht lesen. Deshalb bittet er uns einen Brief vorzulesen, den ein Freund aus Mülheim erhalten hat. Wir erklären die wichtigen Stellen. Karin ist von einigen Duftwassern angetan, wir werden bei der späteren Rückkehr nach Kairo noch einmal hier vorbeischauen.

Im Hotel kippen wir hundemüde aufs Bett, es kostet trotzdem einige Anstrengung einzuschlafen.

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