Reisebericht: Von Berlin nach Banjul (Gambia)



Dieser Reisebericht sowie die Bilder wurden freundlicherweise von Tilo zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!

 

 

 


Inhalt


 

Seit einigen Monaten planen wir nun unsere Tour, die schon seit Jahren der Traum von Jäkel und mir, Tilo, war. Jetzt, im Februar 2003, soll es konkret werden. Von Berlin nach Banjul in Gambia/ Westafrika mit dem Auto. Wir wollen das Auto hier kaufen und dort möglichst gewinnbringend verkaufen. Sicher waren wir nicht die ersten mit solch einem Plan, aber ich denke, jeder, der diesen Trip einmal gemacht hat, weiß, wie begeistert man davon ist. Ansonsten würden viele diese Tour nicht mehrmals machen.

Zuerst müssen wir uns ein Auto kaufen und uns auf den Trip vorbereiten:

Ein langes hin und her, welches ist der beste Autotyp, für welchen Preis soll man es hier kaufen und in Afrika verkaufen, welche Formalitäten, Tricks und Fallen gibt es - wo und wie und wer... Viele solcher Fragen haben sich uns gestellt und oft haben wir erfahrene Reisende befragt, um danach noch mehr Unklarheiten zu haben. Leider gibt es keine richtigen und falschen Antworten. Dadurch hätten wir uns wahrscheinlich etwas sicherer gefühlt.

Autotechnisch entschieden wir uns für die scheinbar sicherste Variante. Eine Woche vor unserer geplanten Abfahrt wollte der Blumenhändler W. aus Berlin-Hohenschönhausen seine 12 Jahre alte Nissan Vanette 2.0 Diesel verkaufen. Das war genau das Auto, das wir suchten. Der Herr schien vertrauenswürdig, der Preis und der Zustand des Autos stimmten. Viele Beulen, die jedem hier auffallen, in Afrika aber niemanden stören. Dazu noch nette Gardinen an den Fenstern, was für einen pfleglichen Umgang sprach. In der verbleibenden Woche hatten wir noch Zeit, die Formalitäten zu erledigen, nützliche Sachen zu kaufen, die letzten Handelswaren für den Verkauf einzusammeln und alles in Kisten, Tüten, Beuteln und Lücken in und auf der Vanette zu verstauen. Leider hatten wir in dieser Woche einen Kabelbrand im Stromkreis des Radios, so dass die musikalische Unterhaltung ausfiel. Den entstandenen Schaden konnten wir bei -10° Außentemperatur nicht beheben. Zwei Freunde von mir, Sten und Lemming, wollten kurz entschlossen nach Marokko mitkommen und so starteten sie mit uns am Montag dem 17.02.2003 Richtung Süden.

Am ersten Tag fahren wir von Berlin nach Barcelona:

Nach 24 Stunden nahezu durchgehender Fahrt haben wir Barcelona erreicht. In einem Schichtsystem sind wir durch Deutschland, Frankreich und den Norden Spaniens gefahren. Die Vanette läßt sich gut fahren, obwohl sie durch die schwere Dachbeladung und den abgenutzten Stossdämpfern bei Seitenwind schnell ins schaukeln kommt. Dem Motor können wir genau lauschen, da ja keine Musik seinen Sound stört. Immerhin sind in Spanien schon Plusgrade. Wir stellen das Auto ab und besichtigen die Sagria Familia von Gaudi. Am Abend suchen wir an der Küste außerhalb von Barcelona vergeblich nach einem ruhigen Plätzchen zum schlafen. Nach dem der Regen nun auch noch einsetzt, schlafen wir zu viert im Auto. Lemming darf es sich auf dem Fahrersitz bequem machen. Jäkel und ich werden ab nun fast 5 Wochen auf der umgelegten Rückbank schlafen. Nicht perfekt, da immer wieder irgendein Plastikstück von der Gurtverankerung oder etwas anderem drückt, aber luxuriöser als die meisten anderen, die mit ihren Autos unterwegs sind.

Der nächste Tag führt uns quer durch Spanien:

Und mit uns der Regen. Abends erreichen wir den Hafen von Almeria. Eigentlich läuft alles problemlos. Von hier wollen wir die Fähre in die spanische Enklave Melilla an der nördlichen Küste des afrikanischen Kontinents nehmen. Neben uns warten ähnliche Vehikel wie unsere Vanette auf den Transport nach Afrika. Die typischen Automarken wie Mercedes sind dort, meist hochbeladen mit unzähligen Dingen. Dagegen haben wir nur Kleinigkeiten mit uns. Um 23 Uhr verlassen wir Spanien und schippern auf die ruhigen See Richtung Spanien – natürlich afrikanisches Spanien.

Am darauf folgenden Morgen erreichen wir Melilla:

Leider empfängt uns der "schwarze Kontinent" mit Wolken. Nachdem wir einen kurzen Stadtbummel gemacht haben, tanken wir auf, kaufen Alkoholika und andere nützliche Dinge für die nächsten Tage und Wochen ein. Der Liter Diesel kostet 41 Cent, weniger als die Hälfte des Preises in Deutschland. Wir machen alle Tanks bis zum Anschlag voll. Dieser Vorrat hält bei schonender Fahrt bis in die nächste steuerfreie Zone, die Westsahara. So schlendern wir mit 100 Litern Diesel, diversen Werkzeugkisten, in denen sich zahllose Schätze für den Verkauf befinden, und 4 Mercedes-Reifen auf dem Dach Richtung marokkanischer Grenze. Die Marokkaner bringen an dieser Stelle alles, was man irgendwie in Geld umsetzen kann, aus Melilla heraus. Horden von Frauen, die Toilettenpapier, Pappe, Tetrapacks, Decken und Wischlappen, Männer die Fernseher, Reifen, Kaffeemaschinen, Kühlschränke und –truhen über die Grenze tragen. Spanische Grenzer ordnen die Massen hin und wieder mit Knüppelschlägen. Hier trifft erste und dritte Welt unmittelbar aufeinander. Und wir mittendrin.

Die Abfertigung der Papiere dauert etwa 2 Stunden, dann dürfen wir Marokko befahren und es geht durch Nador, wo ich vor 2 Jahren schon einmal Boudjema besucht hatte, in das Rif-Gebirge. Nach 170 km ereichen wir Guercif. Hier lassen wir uns auf dem Zeltplatz, der zu dieser Zeit eigentlich geschlossen ist und wir somit die einzigen Gäste sind, nieder. In Guercif bekommen wir das erste Mal Sonne und es wird merklich wärmer. So warm, dass wir hier unser Radio reparieren können und uns nicht gleich die Finger abfallen. Aus unserem Vorrat von 6 Autoradios, die wir in den Kisten haben, können wir eins mit den richtigen Kabeln finden und es in Gang setzen. Nach 2800 km endlich wieder Musik und endlich kein dumpfes Motorengeräusch mehr. Das war auf der langen Fahrt sehr zermürbend. Heute verbringen wir für das islamische Marokko einen nicht gerade landestypischen Abend: Bier, Wodka-Cola, Wein mit Schweinenackensteaks und Black Metall. Nebenher meldet sich der Muezzin.

Route Marokko Afrika

Am nächsten Tag fahren wir gemütlich zwischen Rif-Gebirge und Mittlerem Atlas Richtung Fez:

Die Landschaft ist so grün, wie ich sie bei meinen vorherigen Besuchen noch nie gesehen hatte. Das Radio läuft, wir können mit T-Shirts umher laufen und sehen im Süden die schneebedeckten Berge des Mittleren Atlas. Alles ist gut und schön. Hier und da halten wir an und verweilen ein wenig, um die Landschaft zu genießen. Eine marokkanische Strasse ist zwar keine europäische Autobahn und man muss vor derben Bodenwellen aufpassen, aber wir beschweren uns nicht. Es geht immerhin vorwärts. Am Nachmittag erreichen wir die Stadt Fez, parken im Zentrum und suchen für Sten und Lemming ein Hotel. Dann steigen wir am Rande der Stadt einen Berg hinauf, von wo wir über das gesamte sehr verwinkelte Labyrinth der Altstadt blicken können. Schließlich ist Wochenende für uns und da macht man ja gewöhnlich etwas am Abend. Also ziehen wir uns noch einen indischen Bollywood-Movie im Kino rein. Hier können wir rauchen und trinken, dazu haben die Filme eine grottenschlechte Film- und Soundqualität, so dass man manchmal Schwierigkeiten hat, etwas zu erkennen. Auf dem Weg in unser Hotel "Vanette" sehen Jäkel und ich das hier sehr alltägliche Schauspiel einer Schlägerei. Es ist phänomenal, wie viele solcher Schlägereinen man in marokkanischen Städten am Tag beobachten kann. Hauptsache ist, dass wir dort nicht hineingeraten.

Am Folgetag bleiben wir in der Stadt und machen Sightseeing:

Nebenher haben wir die ersten Interessenten für unsere Waren auf unserem Parkplatz. Alle machen dicke Backen und haben leere Taschen. Dass heißt, niemand kann sich wirklich etwas leisten. Aber die Interessenten, darunter auch die Parkplatzwächter, versuchen alle Händlertricks, um uns etwas aus den Rippen zu leiern. Nicht mit uns... Am Abend sind wir dann in einem marokkanischen Hamam. Ich denke, die anderen waren ein wenig enttäuscht: ein Hamam ist hier nur ein dunkler, heißer, feuchter, modernder Raum, in dem sich viele andere Männer waschen. Da wir aber seit ein paar Tagen keine Dusche hatten, machen wir dasselbe.

Unser nächstes Ziel ist die bekannteste Königsstadt im Lande: Marrakesch.

Die Autobahn führt durch grünes Flachland. Wenn wir von der Polizei angehalten werden, was auch nicht sehr oft vorkommt, sind die Herren meist nur neugierig auf Abwechslung, wollen ihr Englisch testen und fragen nach belanglosen Dingen, die wir artig beantworten. Die Strecke führt weiter in Richtung Atlantikküste an Rabat und Casablanca vorbei. Hier endet für uns endgültig der Autobahnteil auf unserer Tour und ab nun geht es auf der Landstrasse nach Marrakesch weiter. Dieser Teil der Strecke zieht sich ziemlich lange hin, da viele langsame LKWs unterwegs sind und wir erreichen unseren Campingplatz vor der Stadt erst im Dunkeln. Das ist der letzte Abend, an dem Lemming bei uns ist, also machten wir noch ein paar Biere platt und werten wie jeden Abend die Kuriositäten aus, die man so erlebt hat.

Am nächsten Morgen fahren wir ins Zentrum hinein. Am Nachmittag geht es weiter nach Agadir:

Hier suchen wir für Lemming eine der zahllosen "Aubergen" aus. Nach einem schlechten grünen Tee am Djemaa-el-Fna-Platz kaufen wir einige gebrannte CDs für die lange Fahrt ein und verabschieden uns von Lemming. Er muss 2 Tage später in Malaga/ Spanien sein, von wo er nach Berlin zurückfliegt. Auf dem Weg raus aus Marrakesch versuchen wir das erste Mal, unsere nagelneuen Mercedes-E-Klasse-Reifen an den Mann zu bringen. Leider kann keine Reifenbude das Geld aufbringen, das wir verlangen, und eigentlich zeigt hier auch niemand wirkliches Interesse daran. Also sind wir erfolglos und vertrösten uns auf später. Micha, von dem wir vor der Abfahrt die geeigneten Tipps bekommen haben, hatte uns versichert, dass wir die schon an jemanden loswerden. Es sollte also nur eine Frage der Zeit sein, wann wir den richtigen für unsere Waren treffen sollten. Immerhin wollen wir sie loswerden und erwarten uns daraus auch etwas finanzielle Unterstützung. Eine andere Frage stellt sich uns auch, wo sind Micha, Tanja, Anton, Evi und Ed, die wir hier im Lande treffen sollten. Unsere SMS-Versuche bleiben bis jetzt vergebens und scheiterten an technischen und Verständnisproblemen. Jäkel, der sein Handy unbedingt mitnehmen wollte, hatte seit der deutschen Grenze schon keinen Empfang mehr und schleppt es somit völlig umsonst mit.

So sind wir nun auf dem Weg nach Agadir, unserem Tagesziel. Jäkel bringt unsere gute Vanette dabei über die höchste Erhebung auf den gesamten 8000 Kilometern, nämlich den Anti Atlas mit einer Passhöhe von 1700m. Dass die Kupplung hier schon nicht mehr so einwandfrei läuft, sollten wir später noch deutlicher merken. Da wir wegen unserer ganzen Sachen nun langsam nervös wurden und sie endlich verkaufen wollen, fahren wir durch Inezgane und halten bei diversen Reifenläden. Alles vergebens. Jeder hat einen anderen Grund, warum er unsere Reifen nicht kaufen kann. Da es nun langsam dunkel wird, wollen wir noch ein paar Kilometer nach Süden auf einen Zeltplatz in Sidi Rbat weiterfahren. Eigentlich haben wir immer Fahrten im Dunkeln vermieden, da Marokkaner an allen Stellen ohne Rücksicht überholen und dabei auch keine besondere Beleuchtung an ihren Autos haben. Auch Fußgänger und Eselkarren kreuzen unverhofft die Strasse. Dieses Mal geht es nicht anders, da wir keine andere Möglichkeit kennen und eigentlich auch am Meer schlafen wollen. Nach einiger Zeit finden wir die Seitenstrasse nach Sidi Rbat. Stellen dann aber fest, dass es keinen Zeltplatz mehr gibt. Aber wir finden im Dunkeln einen netten Platz an einem Flussdelta und machen aus Palmenresten noch ein Feuer, was eigentlich nicht zu empfehlen ist. Später hören wir, dass der Zeltplatz wegen Schmuggelei vor ein paar Jahren geschlossen wurde.

An diesem Tag fahren wir nach Tarhazoute und treffen dort Micha, Tanja und Anton:

Am Morgen betrachten wir uns die wirklich schöne Landschaft. Leider ist es nachts immer noch so kalt, dass ich in meinem dünnen Schlafsack friere. Und das kontinuierlich in allen Nächten bis zu diesem Ort. Micha meldet sich an diesem Tag telephonisch aus Tarhazoute, nördlich von Agadir, als ich zufällig mein Telefon an habe. Wir beschließen dennoch, weiter Richtung Süden nach Tiznit zu fahren, werden unsere Reifen hier leider auch nicht los. Da die Ortschaften ab hier immer rarer wurden, beschließen wir, 80 km zurück nach Tarhazoute zu Micha, Tanja und Anton zu fahren.

Camping Marokko Westsahara

Mit uns kommt zwar dort auch der Regen wieder an, aber wir freuen uns, die drei mit ihrem 35 Jahre alten zebrafarbenen Hanomag zwischen den ganzen Luxuscampern am Strand zu treffen. Natürlich werden alle Storys ausgetauscht. Die drei sind schon fast einen Monat unterwegs. Dieser Stellplatz an der Küste ist bekannt dafür, dass hier viele Dinge ge- und verkauft werden. Es dauert nicht lange bis Mohammed, von dem wir schon gehört haben, bei uns eintrifft und endlich nach Waren Ausschau hält. Was sind eigentlich die "Waren", die wir nun schon mehr als 4000 km mit uns mitführten und ihm nun aufgeregt unter die Nase halten. (Immerhin ist jemand ernsthaft daran interessiert und Micha hat schon gute Erfahrungen mit ihm gemacht.): 6 Autoradios, ein paar Boxen, 1 Minifernseher, 1 Küchenradio, 3 Handys, 4 Reifen, ein 6 – teiliges Pfannenset, 1 Kaffeemaschine, 1 schnurloses Telefon mit Anrufbeantworter, 2 Tüten mit Parfum und Kosmetikkram, 2 Beutel mit Klamotten, 2 Kisten voll mit Werkzeug, 2 Taschenmesser und noch ein paar andere Dinge. Vieles werden wir für gutes Geld an ihn los. Ansonsten regnet es den ganzen Tag und wir stehen bald im Modder.

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Autor: Remo Nemitz