Spitzmaulnashorn



Das Spitzmaulnashorn, auch Schwarzes Nashorn genannt, ist ein in Afrika lebendes Nashorn.

Merkmale

Das Spitzmaulnashorn weist eine Kopfrumpflänge von bis zu 3,5 m auf, die Schulterhöhe kann bis 1,6 m und das Gewicht 800 bis 1.500 kg betragen. Damit ist es die kleinere der beiden afrikanischen Nashornarten. Es hat zwei Hörner, das vordere ist etwas länger (50 bis 70 cm, in Ausnahmefällen mehr als ein Meter). Als Unterscheidungsmerkmale zum Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum), dienen der verhältnismäßig gedrungene Schädel, zwei tief angesetzte Hörner, die abgerundeten Ohren und die fingerförmige Oberlippe des Spitzmaulnashorns.

Spitzmaulnashörner haben einen sehr gut entwickelten Geruchssinn und ein gutes Gehör. Die Augen sind dagegen von geringerer Bedeutung. Auf eine Entfernung von 20 m kann ein Nashorn kaum noch etwas erkennen.

Name

Der Name Schwarzes Nashorn ist eine Übersetzung aus dem Englischen: das black rhinoceros als Gegenstück zum white rhinoceros benannt, doch beide Nashornarten sind in Wahrheit dunkelgrau. Entstanden sind diese irreführenden Namen durch eine Falschübersetzung aus dem Afrikaans, wo wijde "breit" bedeutet, aber von den Briten mit "white" bzw. "weiß" übersetzt wurde. Die deutschen Namen Breit- und Spitzmaulnashorn sind dagegen korrekte Übersetzungen aus dem Afrikaans und sollten im Gebrauch bevorzugt werden. Die Namen beziehen sich auf die Oberlippe: Das Spitzmaulnashorn hat eine zum Greifen fähige Oberlippe, mit der Laub abgerupft werden kann, während das Breitmaulnashorn eine flache Lippe hat, die für das Äsen von Gras geeignet ist.

Verbreitung

In der Vergangenheit war das Spitzmaulnashorn überall in afrikanischen Savannen verbreitet. Der Lebensraum war immer viel größer als bei dem Breitmaulnashorn. Heute gibt es wildlebende Populationen nur noch in Kenia, Tansania, Simbabwe, Namibia und Kamerun. In Südafrika, Malawi, Swasiland und Rwanda Wurde das Spitzmaulnashorn wieder eingeführt. Die Unterart westliches Spitzmaulnashorn (D. b. longipes) ist nach aktuellen Berichten ausgestorben. Das letzte Tier dieser westafrikanischen Unterart wurde 1996 beobachtet.

Während das Breitmaulnashorn die offene Grassavanne bewohnt, bevorzugt das Spitzmaulnashorn dichte Dornbusch- oder Baumsavanne und Waldränder. Wasserstellen müssen in der Nähe liegen.

Lebensweise

Das Spitzmaulnashorn ein Einzelgänger, nur an Wasserstellen können sich zeitweise Gruppen bilden. Es ist gewöhnlich frühmorgens, spätnachmittags, abends und nachts aktiv, tagsüber schläft es im Schatten oder nimmt Schlammbäder. Die Nahrung sind Blätter und Zweige (vor allem von Akazien) die mit der fingerförmigen Oberlippe gegriffen, zwischen die Kiefer geführt und mit den Backenzähnen abgetrennt werden. Wenn man Spitzmaulnashörner beim vermeintlichen Grasen sieht, ziehen sie eigentlich holzige Pflanzen aus der Erde und lassen das Gras unangerührt. Selbst sehr dornige Zweige werden verzehrt.

Bullen und Kühe kommen nur wenige Tage während der Paarungszeit zueinander. Sieht man mehrere Nashörner beisammen, handelt es sich meistens um ein Muttertier mit ihr folgenden Jungen. Weibliche Jungtiere werden auch noch in der Nähe akzeptiert, wenn das nächste Kalb bereits geboren ist. Spitzmaulnashörner leben in durch Urin und Kot markierte Reviere, die sich überlappen können. Gegenüber Artgenossen, die benachbarte Reviere bewohnen, sind Spitzmaulnashörner für normalerweise nicht aggressiv. Gelegentlich sieht man sogar zwei Bullen nebeneinander grasen. Allerdings ändert sich dies Verhalten, wenn zwei Nashorn-Bullen um eine Kuh werben. Dann kann es zu Kämpfen mit manchmal sogar zu Kämpfen auf Leben und Tod kommen.

Das einzige Kalb wird nach einer Tragzeit von 450 Tagen geboren und hat ein Geburtsgewicht von etwa 25 bis 40 Kilogramm. Die Neugeborenen weisen an der Stelle, an der das vordere Horn wachsen wird, bereits nach der Geburt eine etwa einen Zentimeter hohe Verdickung auf. Die Wachstumsstelle für das zweite Horn ist ist zu diesem Zeitpunkt erst als etwas hellerer runder Fleck markiert. Das Kalb wird gewöhnlich etwa zwei Jahre gesäugt und von der Mutter während dieser Zeit gegen jede potenzielle Gefahr verteidigt. Mit fünf (Kühe) bzw. acht (Bullen) Jahren sind die Jungtiere geschlechtsreif und verlassen die Mutter. Die Lebensdauer eines Spitzmaulnashorns kann 45 Jahre betragen.

Natürliche Feinde hat das Spitzmaulnashorn aufgrund der Größe nicht. Nur manchmal gelingt es Löwen, ein Nashorn-Kalb zu erbeuten, wenn das Muttertier unachtsam ist. Es wurden auch von Fällen berichtet, in denen trinkende Nashörner von Flusspferden oder Krokodilen attackiert wurden – dies ist aber die Ausnahme.

Spitzmaulnashörner werden oft von Parasiten befallen. Zecken, Magendasseln und Filarien sind die häufigsten Schmarotzer. Besonders die offenen Wunden, die bei den Kämpfen entstehen, sind ein beliebter Eiablageplatz für Fliegen. Eine "Desinfizierung" ist nur durch Suhlen im Schlamm oder durch Staubbäder möglich. Um diese Parasiten entfernen zu lassen, dulden Nashörner Madenhacker und Kuhreiher, die auf ihrem Rücken sitzen und Insekten/Parasiten aufpicken.

Menschen und Spitzmaulnashörner

Die Gefährlichkeit von Nashörnern wird meistens übertrieben dargestellt. Ein sich nähender Mensch wird durch den Geruchssinn wahrgenommen, meistens ergreift das Spitzmaulnashorn die Flucht. Nur wenn der Wind ungünstig steht und das Nashorn überrascht wird, greift es an. Sein Verhalten gilt als unvorhersagbar, so dass es auch bei friedlichen scheinenden Nashörnern zu plötzlichen Angriffen kommen kann. Flieht der Mensch, dreht das Nashorn manchmal ab. Wenn der Angriff zu Ende geführt wird, kann es einen Menschen mit dem Horn hochschleudern und schwere Verletzungen verursachen.

Durch Bejagung trat das Spitzmaulnashorn schon sehr früh immer seltener auf. In Südafrika wurde schon 1853 das letzte Spitzmaulnashorn erlegt, dies bedeutete auch das Aussterben der Unterart D. b. bicornis. In den Savannen südlich der Sahel-Zone wurde es ebenfalls am Ende des 19. Jahrhunderts zum großen Teil ausgerottet; diese westafrikanischen Nashörner (D. b. longipes) sind ausgestorben. In den 1960ern verschwanden auch die ostafrikanische (D. b. michaeli) und die südzentralafrikanische Unterart (D. b. minor) durch weiter zunehmende Wilderei aus großen Teilen ihres Lebensraumes. Vor allem aufgrund der angeblichen Heilkraft des Horns in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) und dem in manchen Ländern verbreiteten Glauben an die potenzsteigernde Wirkung des Horns wurde es an den Rand der Ausrottung gebracht. Ein weiterer Grund ist, das ein Dolch aus dem Horn des Spitzmaulnashorns im Jemen als ein Männlichkeitssymbol gilt. Für ein solches Horn werden von Mitgliedern der jemenitischen Oberschicht höchste Preise gezahlt

Die IUCN stufte das Spitzmaulnashorn hiernach als gefährdet ein, später als bedroht und schließlich als stark bedroht. Trotzdem wurde es selbst noch zu einer Zeit, als Schutzmaßnahmen für andere Wildtiere längst griffen, immer seltener. 1970 gab es noch geschätzte 65.000 Spitzmaulnashörner, 1980 waren es bereits nur noch 15.000 Individuen, 1990 etwa 3.000, und 1995 war der Bestand schließlich auf nur noch 2.500 Tiere gefallen. In der Zentralafrikanischen Republik gab es noch 1980 einen gesunden Bestand von 3.000 Nashörnern, der binnen weniger Jahre restlos ausgerottet wurde.

Wilderei ist zwar in Ostafrika wegen schwerer Strafen ein großes Risiko, aber die enormen Preise, die Käufer in Ostasien und Jemen für die Hörner zahlen, machen sie immer noch zu einem lukrativen Geschäft. Um Nashörner für Wilderer unattraktiv zu machen, sind Wildhüter in manchen Regionen dazu übergegangen, die Nashörner zu betäuben und ihnen die Hörner abzuschneiden. Diese Vorgehensweise ist für die Tiere nicht schmerzhafte, da Hörner wie Fingernägel nicht aus lebenden Zellen bestehen. Aber auch diese Methode brachte nicht den gewünschten Erfolg: Wilderer, die ein Nashorn ohne Horn aufspürten, töteten es trotzdem, um später nicht wieder dieser wertlosen Spur zu folgen. Zeitweise ging man sogar dazu über, einige Spitzmaulnashörner rund um die Uhr von bewaffneten Wildhütern bewachen zu lassen.

2001 gab es in Afrika wieder einen Bestand von etwa 3.100 Spitzmaulnashörnern (unter anderem im Addo Elephant Park, Kruger-Nationalpark, Etoscha-Nationalpark, Hwange National Park, Mana Pools, Südluangwa, Tsavo-National Park, Serengeti). Besonders die Wiedereinführung in südafrikanischen Nationalparks tat dem Gesamtbestand gut, denn neben Namibia ist Südafrika das einzige Land, in dem Schutzmaßnahmen wirklich wirksam sind und sich der Bestand des Spitzmaulnashorns wieder erholt.

Neben den freilebenden Tieren gehört das Spitzmaulnashorn weltweit zum Bestand der meisten größeren Zoos. Die meisten Tiere sind Wildfänge, die schon als Jungtiere in Afrika gefangen wurden. Dabei war es bis weit in die 1970er Jahre üblich, die Mutter der Tiere zu erschießen, um die Jungtiere einzufangen. Eine erfolgreiche Zucht von Spitzmaulnashörnern glückte erstmals 1941 im Tiergarten von Chicago; 1956 wurde das erste "europäische" Jungtier in Frankfurt/M. geboren. Der Zoologische Garten Berlin erlangte durch regelmäßige Aufzuchten Weltruhm.

Systematik
Unterklasse: Höhere Säugetiere (Eutheria)
Überordnung: Laurasiatheria
Ordnung: Unpaarhufer (Perissodactyla)
Familie: Nashörner (Rhinocerotidae)
Gattung: Diceros
Art: Spitzmaulnashorn
 
Wissenschaftlicher Name: Diceros bicornis
 
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Autor: Remo Nemitz