Traditionelle Religionen in Afrika (Animismus, Ahnenverehrung)



Das Leben vieler Afrikaner wird tagtäglich durch die Religion und religiöse Riten geprägt. Ein traditioneller Bauer wird nie sein Feld bestellen, ohne vorher einem Gott oder Geist geopfert und ihn um Fruchtbarkeit gebeten zu haben, niemand würde den Weg zum Markt antreten oder den Bau eines Hauses beginnen, ohne den Schutz übernatürlicher Mächte gewiss zu sein. Alle Vorstellungen und Riten stehen immer in Zusammenhang mit den ökonomischen Anforderungen des Alltagslebens, wobei Fruchtbarkeitskult in Verbindung mit Ahnenverehrung als das Grundprinzip von Stammesreligionen gelten kann.

Westafrika

Animismus AfrikaHäufig werden die westafrikanischen Religionen unter dem Oberbegriff "Animismus" (lateinisch: Seelenlehre) zusammengefasst, einer Kategorie aus der Ethnologie des 19. Jahrhunderts.
Man versteht darunter allgemein alle Vorstellungen, nach denen eine Seele nicht nur dem Menschen eigen ist, sondern auch Tieren, Pflanzen, selbst unbelebten Dingen (z.B. Höhlen, Felsen) und Naturerscheinungen (z.B. Donner, Blitz).
Durch Opfer und Zauberpraktiken versucht man, diese Seelen oder Geister zu besänftigen und eine gewisse Macht über sie zu bekommen. Weiterhin ist in Westafrika die Verehrung der Ahnen zentral.

Die Religionen der Stammesgesellschaften Westafrikas kennen aber nicht nur eine Natur voller Geister und übernatürlicher Kräfte, sie glauben auch an eine Existenz eines himmlichen Gottes, des Herrn des Regens, des Blitzes und des Donners, des Schöpfers aller Dinge, der seinen Kindern im Schoße der Mutter Erde Lebenskraft spendet.
Mit ihm wird häufig ein kulturschaffender Heroe assoziiert, der als der erste Mensch, als Meister und Verbreiter allen technischen Wissens gilt. Diese vergöttlichte Wesen sieht man als von Gott geschaffen oder als sohn gottes an. Es kann sogar, z.B. als Sonnengot, den Platz des Schöpfers einnehmen, der in vielen Fällen dann nur noch in entpersonalisierter Form als Name oder Urgrund bestehen bleibt.
Erst unter dem Einfluss des Islam und des Christentums in der Neuzeit rückt heute der persönliche Gott immer mehr in das Bewußtsein auch der Animisten.

Bei vielen westafrikanischen Völkern verehrt man auch die nährende Mutter Erde als göttlich. Sie wird als Mutter der Menschen personalisiert und trägt die Verantwortung für die Fruchtbarkeit des Bodens und auch der Menschen.
Ihr Kult folgt dem Zyklus der Jahreszeiten. Zu Beginn der Regenzeit erwacht sie zu neuem Leben, befruchtet vom Wasser des Himmelsgottes, ihres sohnes oder Gatten. In der Trockenzeit, mit dem absterben der Pflanzenwelt, stirbt auch die Mutter Erde oder verfällt in eine totenähnliche Starre bis zum Beginn der neuen Regenzeit.

Animismus WestafrikaAußer diesen großen Himmels- und Erdgottheiten kennen die westafrikanischen Völker eine Vielzahl von Geistern und anderen niederen Gottheiten, Dienern des großen Gottes, die als übernatürliche Mächte im Wasser, in den Felsen, Bäumen und im Busch regieren.
Diese Geister leben inmitten der Menschen und greifen in deren Leben ein. Sie können von Menschen, insbesondere von Sehern, Besitz ergreifen, sie spenden Frauen Fruchtbarkeit, den Männern Manneskraft und erfahren in speziellen Ritualen Verehrung.
Daneben glaubt man an die Existenz kleiner, unsichtbarer, koboldartiger Geister, neckischer Wesen und Übeltäter, die Reisende überfallen, Menschen besessen machenoder riesige Kinder zeugen.
Opferrituale, Kulthandlungen, Tänze und Gesänge werden all diesen Göttern, Geistern und Wesen zu verschiedenen Gelegenheiten geweiht und meist von Clanoberhäuptern zelebriert.

Alle religiösen Handlungen stehen in enger Verbindung mit dem Ahnenkult, der eine weitaus größere Bedeutung besitzt als andere Bereiche der Religion.
Die verstorbenen und nun vergöttlichten Vorfahren greifen in das Leben ihrer lebenden Nachkommen ein, können Tiergestalt annehmen und zu Geistervorfahren werden, die ihre Familie beschützen.
Die verstobenen Vorfahren leben im Unsichtbaren und ihr Leben unterscheidet sich nicht von ihrem irdischen Dasein.

Animistische Religionen sind "nationale" Religionen: Jedes Volk besitzt seine eigenen Götter, ein Fremder kann diesen nicht opfern und sie nicht verehren, da der Gott nur "sein" Volk schützt.

weitere Informationen: Islam - Christentum- traditionelle Religionen - Synkretismus - Judentum in Afrika

Autor: Remo Nemitz